Was macht die Kuh in der Stadt? (SZ vom 18.06.2020)

Eine Kuh ist ein echter Hingucker an einer Straßenkreuzung in Bischofswerda. Es wirbt für eine Aktion, die es nur dort gibt.

Bischofswerda. Schauspieler Manfred Krug machte die Satire von Michail Soschtschenko auf einen ungeschickten Agitator „Die Kuh im Propeller“ zum Kult – „und ritsch ratsch weg war sie“. So gefährlich lebt das braun-weiß gefleckte Tier nicht, das man seit einigen Wochen an einer Ampelkreuzung in Bischofswerda sehen kann. Dort schaut die Kuh gelassen durch einen Grundstückszaun und wirbt für eine wohl deutschlandweit einmalige Aktion. Unter dem Motto „Dorf-Poeten“ ist jedermann eingeladen, Kurzgeschichten zu schreiben und sie im Internet zu veröffentlichen. Die Idee dazu stammt von Norman Reitner, der auf vielfältige Weise mit der Bischofswerdaer Kulturszene verbunden ist.

Start zur (Dorf-)Poeten-Aktion war am 1. Mai. Inzwischen kann man die ersten Geschichten auf der entsprechenden Internetseite lesen. Doch was heißt schon Dorf-Poeten? Eine Mehrzahl der Autoren beweist Weitblick und schaut über den eigenen Kirchturm hinaus. So folgt zum Beispiel Peggy Linke den Spuren des Bergdoktors. Günter Gebauer beschreibt unter dem Titel „Ein abenteuerlicher Ferientag“ eine Bootsfahrt auf der Neiße. Was es mit „Keine Gnade für Hellfriede“ auf sich hat, erfahren die Leser in der Geschichte von Yvonne Liebscher. Und wie „Schiebock“ zu seinem Namen kam, hat Anneliese Wolf aufgeschrieben. Die jüngste Autorin, die bisher ihre Geschichte eingereicht hat, ist 18 Jahre. Der älteste Autor hat bereits die 80 überschritten. Noch bis zum 31. August können Geschichten eingesandt werden.

Eintrittskarten für den Schlachthof zu gewinnen

Bei den (Dorf-)Poeten handelt es sich nicht um einen Schreibwettbewerb, betont Norman Reitner. Es gibt also keinen Sieger. Unter allen Einsendungen werden zweimal zwei Eintrittskartenkarten für Veranstaltungen im Schlachthof Dresden verlost. Wer möchte, soll einfach schreiben. Teilnehmen darf jeder, der das 14. Lebensjahr erreicht hat und eine selbst geschriebene Geschichte von etwa 6 500 Zeichen einreicht. „Alle Einsendungen werden auf unserer Internetseite veröffentlicht“, sagt Norman Reitner. Eine Jury wählt aus allen Beiträgen zehn Poeten oder Poetinnen aus. Diese werden ihre Kurzgeschichten am 27. September zur Abschlussveranstaltung im Rathaussaal vortragen. Unterstützt wird die Aktion von der Buchhandlung Heinrich und der Stadtbibliothek. In beiden Einrichtungen werden auch die Karten für den Abschlussabend verkauft (zwölf Euro pro Person). An diesem Abend treten unter anderem der Kabarettist Peter Flache und die Sängerin Paula Peterssen aus Dresden auf.

Weitere prominente Unterstützung für das Literaturprojekt kam jetzt hinzu. Autor Lukas Rietzschel aus Görlitz, bekannt geworden durch seinen Ost-Roman „Mit der Faust in die Welt schlagen“, unterstützt die Aktion, teilte Norman Reitner mit. „Städte bestimmen unseren politischen Diskurs und unseren Blick auf Kultur. Alles vermeintlich Abseitige wird mit dem Vermerk „Dorf“, „Peripherie“ oder „Land“ betitelt. „Provinziell“ ist, was ungenügend, aber mindestens schlecht gemacht und lausig durchdacht ist. Halten Sie dagegen, indem Sie diese Label annehmen“, schreibt Lukas Rietzschel in einem Grußwort. „Wir schreiben nicht schlechter, nur weil wir nicht in Berlin oder Leipzig leben, in Frankfurt oder Hamburg.“ (SZ/ir)