(K)ein Überfall

Ich schau entgeistert in den Spiegel,
seh ich da einen Damenbart?
Den mach ich weg, schnell und penibel –
ich bin doch sonst nicht so behaart?

Durchs Ochsenauge strahlt die Sonne.
Dies runde Fenster belebt mein Bad.
Ich strahle auch, so voller Wonne –
weil ich nun keinen Bart mehr hab?

Ein Blumenkranz kommt jetzt ins Spiel,
ziert stolz mein langes Haar.
So bunt geschmückt hab ich ein Ziel –
ne Bratwurstbude, wie jedes Jahr!

Es ist die dritte Bratwurst schon,
die ich mit Lust verschlinge.
Da hör ich einen schrillen Ton
und ahne schlimme Dinge.

Im Halse bleibt der Bissen stecken,
als ich nen Fallschirmspringer seh,
der sich in Sträuchern will verstecken –
vor einem Überfall, oder muss er aufs WC?

Doch plötzlich springt an mir vorbei,
ich kann es gar nicht glauben,
ein Hase mit nem Riesen-Ei –
der will gewiss nichts rauben!

Der Fallschirmspringer, der ist weg.
Der Osterhase auch.
Ich aber stehe noch am selben Fleck –
am Strauch mit bratwurstsattem Bauch.

Elfride Stehle, 71 Jahre